Ein Einakter

Irgendwo in Österreich.

Kleine Ortschaften mit Bauernhöfen. Sanfte Berge mit Mischwäldern, Felder, auffällig viele Pferdekoppeln [aus steuerlichen Gründen], dazwischen Steinbrüche, Forstautobahnen und enge kurvige Straßen für die weniger Privilegierten [also die Nicht-Bauern].

Die Ruhe wird nur vom Höllenlärm der Ausflügler-Motorräder unterbrochen. Durch das enge Tal winden sich Autokolonnen. Vorne weg, dahin zuckelnde Traktoren und die Aussicht genießende Rentnerehepaare in Mopedautos.

Rundum Idylle.

Statt facebook erfolgt der Status-Update auf diesem Fleckchen Erde noch vorwiegend über Leintücher, Holzstörche auf Wäscheleinen voller Babykleidung und Strohpuppen. Nein, nicht die kleinen, herzigen Woodoo-Püppchen mit den Stricknadeln, sondern mannshohe vogelscheuchenartige Nachbildungen der Jubilare, die an Straßenecken neben gestohlenen Verkehrsschildern (30, 50, 70) sitzen. Darüber das Leintuch als Transparent mit witzigen, bunt gemalten Sprüchen wie „Da Pepi is jetzt 70 Jahr‘, am Kopf da hat er kaum noch Haar’…“

Die Frauen finden sich wochentags im Gemischtwarenladen oder beim Arzt ein [mehr Auswahl an sozialen Treffpunkten gibt es nicht, lässt man die Wirtshäuser außer Acht]. Nachmittags weiß der ganze Ort, was eingekauft und welche Krankheit beim Arzt besprochen wurde.

Die Männer versammeln sich regelmäßig in den Wirtshäusern zum Frühschoppen, wo die Jäger mit ihrer letzten Mordnacht prahlen bevor sie pünktlich zum Mittagsläuten mit der Familie zu Hause das christliche Tischgebet sprechen.

Jeder kennt jeden, es wird viel geredet, aber die Zugezogenen bleiben selbst bis in die 5. Generation hinein immer Außenseiter, nämlich „Zuagroaste“.

Rundum Idylle.

 

Ein Haus im Irgendwo.

Es ist ein paar Stunden nach Sonnenuntergang. Ein entzückendes Baby schläft friedlich im Gitterbett im Schlafzimmer der Eltern, ein kleines Mädchen, ca. 3 Jahre alt, schläft ebenfalls tief und fest in einem liebevoll eingerichteten Kinderzimmer.

Stille.

Nur in einem Zimmer brennt noch Licht. Ein Mann, groß, schlank, mit dem verschmitzten Lächeln eines Patrick Dempsey (McDreamy) und rehbraunen Augen wie George Clooney [in meinem eigenen kurzen Drama darf ich ja wohl ein klein wenig flunkern] sitzt vor einem Computer und scheint in Gedanken versunken. Die Zugereiste, eine bildhübsche Frau Anfang 40 [wie gesagt: Fiktion!] betritt das Arbeitszimmer ihres Mannes. Sie wartet gar nicht ab, bis ihr Mann zu ihr aufblickt, sondern beginnt sofort mit weinerlicher Stimme zu sprechen:

„Ich halte es nicht mehr aus! Ich mache den ganzen Tag nichts anderes als Windeln zu wechseln, zu stillen und Z zu trösten! Sie bekommt die ersten Zähne und will ständig auf meinem Arm sitzen! Ich kann nicht einmal zwei Minuten alleine im Badezimmer sein, ohne dass sie weint!

Und E kennt kein anderes Wort mehr als ‚Nein‘. Die Trotzphase war doch schon einmal besser!? Ich dachte, es würde erst in der Pubertät solche Kämpfe geben, nicht schon im Kindergartenalter!

Ich brauche irgendwann auch Zeit für mich! Und Kontakt zu erwachsenen Menschen!“

Sie schaut ihren Mann verzweifelt an:

„Und ich meine nicht die halbe Minute, wenn ich der Betreuerin im Kindergarten beim Abholen ‚Hallo‘ sage…“

Sie lässt sich erschöpft auf einen Stuhl fallen:

„Versteht das denn keiner?!“

Er schaut kurz vom Computer auf:

„Schreib doch einen Blog!“

Er wendet sich wieder dem Bildschirm zu und arbeitet weiter.

Sie starrt ihn lange wortlos an, dann geht sie hinaus.

Stille.

Nach kurzer Zeit hört man das energische Tippen auf einer Tastatur aus einem anderen Zimmer.