Bücher, die bewegen

Blog-Event von „Mehr als Grünzeug“

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Jenni von „Mehr als Grünzeug“ hatte die wunderbare Idee, den Blog-Event „Bücher, die bewegen“ zu Lieblingsbüchern aus dem Themenkreis vegan/Tierethik zu starten.

Ich habe zwar einige vegane Kochbücher, aber ich halte mich meist nicht genau an Rezepte, weil fast immer mindestens eine Zutat in meinem Haushalt fehlt. Ich hole mir aus den Büchern also nur Inspirationen und mantsche dann fröhlich zusammen, was ich in der Küche vorfinde 😉 Auch die schwere Kost der Sachbücher zum Thema Tierethik findet sich in meinem Bücherschrank. Doch die Beschreibungen von  Schlachthofszenen, Jagden, grausamsten Experimenten an Tieren sind schwer zu ertragen.

Da bleibt „nur“ noch die Kategorie des tierethischen Romans.

Mit diesem Beitrag folge ich gerne dem Aufruf zum Blog-Event und möchte ein Buch vorstellen, das ich erst vor kurzem gelesen habe und welches mich sehr beeindruckt hat:

„We Are All Completely Beside Ourselves“ von Karen Joy Fowler.

Das Buch war auf der Shortlist für den Man Booker Prize 2014 und gewann in demselben Jahr den PEN/Faulkner Award for Fiction, daher wurde es schon sehr oft rezensiert. Doch man sollte gar nicht zu viel über das Buch lesen, sondern besser selbst hineinschnuppern, ob es einem gefällt.

Die Geschichte ist spannend, überraschend, berührend. Mich ließ sie sehr nachdenklich zurück und einige Bilder, die sich beim Lesen gebildet haben, werden mich noch länger begleiten. Ich habe den Roman – der auf Deutsch übrigens unter dem Titel „Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke“ erschienen ist – verschlungen und kann ihn nur allen empfehlen, die sich mit dem Thema Tierethik auch einmal aus der Sicht einer literarischen Figur auseinandersetzen wollen.

Aber jetzt halte ich mich an den Ratschlag, den die Protagonistin als Kind von ihrem Vater erhielt:

„Skip the beginning. Start in the middle.“

Aus der Mitte

1996: Die Ich-Erzählerin, Rosemary, ist 22, Studentin und Tochter eines Psychologieprofessors. Durch einen Vorfall in der Uni-Cafeteria und eine unglückliche Verwechslung landet sie nicht nur auf der Polizeistation, sondern lernt auch Harlow, eine sehr impulsive, non-konformistische Mitstudentin näher kennen, die von da an immer wieder in ihrem Leben auftaucht.

Nach und nach erfährt man aus kurzen Episoden mehr von Rosemaries Familie, ihrer recht  ungewöhnlichen Kindheit und ihrem besonderen Verhältnis zu ihrer Schwester.

Rosemary war ein aufgewecktes Kind, das gerne und ständig redete und keine Berührungsängste hatte. Doch als Erwachsene ist sie verschlossen, schweigsam und fühlt sich nirgends wirklich zugehörig. Bekanntschaften mit anderen Menschen zu machen fällt und fiel ihr immer schwer. Schon als Kind war ihre beste Freundin nur imaginär.

Das Verhältnis zu ihren Eltern ist seit Langem schwierig. Wenn jemand nach ihrer Familie fragt, erzählt sie eine kleine Geschichte über einen Aufenthalt bei ihren Großeltern und ihrer „Flucht“ zurück nach Hause:

Sometimes you best avoid talking by being quiet, but sometimes you best avoid talking by talking.

[…]

It’s a story I’ve told often, my go-to story when I’m being asked about my family. It’s meant to look intimate, meant to look like me opening up and digging deep.

Ihren Vater beschreibt sie als

a chain-smoking, hard-drinking, fly-fishing atheist from Indianapolis.

Ein Wissenschafter, dem es an Feingefühl mangelt und der derbe Witze macht, die noch nicht einmal lustig sind:

My father made a crude joke. […] If the joke were witty, I’d include ist, but it wasn’t. You’d think less of him and thinking less of him is my job, not yours

An anderer Stelle meint Rosemary über Väter, als sie gerade das Buch „The Mosquito Coast“ liest:

There seemed to be no end to the insane things fathers did to their families.

Eine monatelange depressive Phase ihrer Mutter beschreibt sie als die entsetzlichste Zeit ihres Lebens.

Im Mittelpunkt des Romans steht das Verschwinden zweier Familienmitglieder: Rosemarys Schwester Fern und ihres älteren Bruders Lowell, dessen Spuren sie mühsam folgt.

My parents persisted in pretending we were a close-knit family, a family who enjoyed a good heart-to-heart, a family who turned to each other in times of trial. In light of my two missing siblings, this was an astonishing triumph of wishful thinking; […] I am very clear in my own mind. We were never that family.

Was ist mit Fern passiert?

Warum hat Lowell die Familie verlassen?

Warum wird in der Familie nicht über diese Ereignisse gesprochen?

Und was hat das alles mit Jane Goodall, Dian Fossey oder Biruté Galdikas zu tun?

Die Antworten finden sich natürlich in dem Buch, doch mehr zu verraten würde das Lesevergnügen schmälern.

(Es ist schwierig ein Buch vorzustellen, über das man so wenig wie möglich sagen sollte, um nicht einen spoiler Alarm auszulösen – sozusagen) 

Rosemary erzählt ihre eigene Geschichte nicht in chronologischer Abfolge. Vielmehr nähern sich die Erinnerungen aus Kindheit und Jugend fast spiralenförmig dem Schlüsselereignis. Ein wunderbar aufgebauter Spannungsbogen. Das Netz aus Informationen wird zunehmend dichter bis auch der Leser erfährt, was damals wirklich passierte als Rosemary 5 Jahre alt war. Rückwirkend erscheinen dann manche Dinge, die man bis dahin erfahren hat, in einem etwas anderen Licht.

Und es bleibt die ganzen 320 Seiten spannend, wenn auch einige (kurze) Kapitel eher Stimmungsbilder sind, um Rosemaries Seelenleben und die Menschen, die sie umgeben, besser kennen zu lernen.

Die Erzählung erreicht schließlich die Gegenwart (aus Sicht des Romans, also 2012) und den Höhepunkt. Details zu den ehemals offenen Fragen werden aufgeklärt und die beiden Handlungsstränge Fern und Lowell nähern sich einander asymptotisch an.

Wie das alles zu einem Vegan-Blog und dem Thema Tierethik passt?

Das müsst und werdet ihr selbst herausfinden, wenn ihr das Buch lest. Viel Vergnügen!

Nachtrag

Da sich mein MAMA-Blog primär um mein Leben als Mutter drehen sollte (das war zumindest meine ursprüngliche Intention, als ich den Blog begann) möchte ich noch zwei Stellen aus dem Buch zitieren, die mich in ihrer Klarheit traurig gestimmt haben, die jedoch für die Protagonistin des Romans als auch für den Themenbereich Leben mit Kindern sehr passend sind:

Once upon a time, there was a family with two daughters, and a mother and father who’d promised to love them both exactly the same. […] In most families, there is a favorite child. Parents deny it and maybe they truly don’t see ist, but it’s obvious to the children. Unfairness bothers children greatly.

„Kindergarten is all about learning which parts of you are welcome at school and which are not.“

Quelle

Zitiert wurde aus dem Buch

Fowler, Karen Joy (2013): We Are All Completely Beside Ourselves (E-Book)