Was?! Wie?! Mein Sohn soll häßlich und garstig sein?! Was sich dieser Hans Christian erlaubt!“ schrie die Kröte und reckte ihr Köpfchen aus dem Morast.

Das Däumelinchen, dieses winzige, entzückende Mädchen, hatte also einen Partner fürs Leben gefunden. Eine Blumenelfe und ein Prinz noch obendrein. So hatte es Hans Christian berichtet. Der hatte die Geschichte von der Schwalbe gehört. Und eine Mücke hat es einer anderen Mücke erzählt, ehe sie von der Schwalbe gefressen wurde. Die überlebende Mücke einer Fliege und immer so weiter bis es eine Fliege der Krötenmutter erzählte, in der Hoffnung sie würde ihr Leben dafür verschonen.

Die Kröte aber öffnete nur ihr Maul und verschlang die Fliege mit Flügel und Beinen. Dann leckte sie sich mit der klebrigen Zunge über Maul und schmatzte zufrieden. Es hat schon öfter die Überbringer schlechter Nachrichten in der Geschichte erwischt. Also nicht in dieser Geschichte, sondern in der uns allen gemeinsamen.

Uns, das wären dann Mensch und Tier. Doch jeder erinnert sich an Dinge anders. Und Andersen hat sie eben so aufgeschrieben, wie er sich daran erinnerte.

Die Krötenmutter war jedenfalls stinksauer. Das Däumelinchen hätte ihr als Schwiegertochter gut gefallen. Ein Upgrade für den Sohnemann, der zugegebenermaßen eher der Anti-Märchenprinz war, dumm, einfältig und ganz wie seine Mutter.

Was?! Wie haben Sie mich gerade genannt? Dumm? Das ist doch die Höhe!“ schrie die Kröte noch lauter und kam gänzlich aus dem Morast hervorgekrochen um sich auf ihren krummen Beinchen bedrohlich vor mir aufzubauen.

Jetzt erzähle ich Ihnen mal etwas über Mütter und Kröten ….

Ein Gespräch von Mutter zu Mutter – das wird interessant, dachte ich. Der Sohn quakte sein „Koax, koax, brekkekekex!“ dazu, denn mehr vermochte er nicht von sich zu geben, und kam ebenfalls, jedoch sehr langsam aus dem Morast gekrochen. Meine Reise in die Vergangenheit zahlt sia war ich mir sicher. Das unbezahlte Praktikum als Sensationsreporterin bei Karla Kolumna war sein Geld wert. Wirklich unbezahlbar.

Würden Sie für Ihr Kind nicht das Beste wollen? Dieses Däumelinchen war das Beste, was mir seit langem untergekommen ist, also wollte ich sie auch behalten. Ich habe alles hübsch hergerichtet für die verzogene Göre! Aber das war ihr nicht gut genug. Und meine Cousine, unkt jetzt herum, bei mir wäre es nicht ordentlich! Aber wissen Sie, was man gegen solche bösen Unkenrufe am besten macht? Selbst ein Gerücht streuen. Ha! Deshalb erzähle ich jetzt allen am Teich, dass mein Bub den Look-alike-Bewerb mit dem Präsidenten, der überm großen Teich wohnt, gewinnen wird. Diejenige, die meinen Buben jetzt schon zum Mann nimmt, wird bald nicht nur eine richtige Celebrity zu Hause haben, sondern bekommt auch noch ein paar Kröten dazu geschenkt. Und wissen Sie was? Jetzt stehen sich die Leute die Beine in den Bauch, weil sie bei mir um seine Hand anhalten wollen. Die Menschen sind so dumm und gierig! Dabei habe ich doch nur meine Enkerl gemeint! Und das allerbeste ist, jede will ihm einen dicken Kuss geben, weil sie gehört haben, er könnte sogar ein verwunschener Prinz sein! Jetzt bekommt er so viele Küsse wie sein Lebtag nicht und wir haben unsere Unterhaltung.“

Die Kröte begann quakend zu lachen und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Das war wohl das Ende unseres Interviews. Ich spähte neugierig ans andere Ufer des Teichs, konnte dort aber weder einen Präsidenten noch ein anderes Getier entdecken. Mit der Erkenntnis, dass die Märchenwelt wohl das Reality-TV der Vorfernsehzeit gewesen war, drehte ich an meiner Zeitwandeluhr, um nach Hause in meine Gegenwart zurück zu kehren. Aber selbstverständlich nicht, ohne dem warzigen Lurch noch einen dicken Schmatz gegeben zu haben. Man weiß ja nie! Sein „Koax, koax, brekkekekex!“ hörte ich noch, während sich alles um mich zu drehen begann und ich die Märchenwelt verließ. Aber, wenn sie nicht gestorben sind, dann koaxen sie wohl noch heute, die Krötenmutter und ihr Sohn.


Zur Fortsetzungsgeschichte von Märchen hat Tante Tex am Storysamstag aufgerufen.